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Rede zum Weinheimer Haushalt 2019

[Rede von ​Dr. Carsten Labudda, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Weinheimer Stadtrat vom 20. Februar 2019]

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Ich darf die diesjährige Haushaltsrede mit einem Anliegen einleiten, welches uns nun seit Jahren begleitet. Dies ist die Unsitte, dass wir in Weinheim unseren Haushalt wieder erst im laufenden Jahr verabschieden, und leider immer noch nicht zum Ende des Vorjahres, wie es anderenorts üblich ist. Immerhin, wir haben uns erneut um einen Tag verbessert. Im letzten Jahr hoben wir unsere Hände am 21. Februar, dem Geburtstag des kommunistischen Manifestes, zum Schwur. In diesem Jahr ist es der 20. Februar, der Geburtstag des großartigen Musikers Kurt Cobain, der leider viel zu früh von uns gegangen ist. Geht die Entwicklung so weiter, werden wir schon in gut 50 Jahren rechtzeitig vor Beginn des Haushaltsjahres über die Zahlen befinden. Ich hoffe natürlich weiterhin, dass wir das schneller schaffen.


Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Es ist uns in der Linksfraktion natürlich bewusst, dass die Erstellung des Haushaltsplans in diesem Jahr unter besonderen Vorzeichen steht. Vor einem guten halben Jahr ging unser ehemaliger Oberbürgermeister Heiner Bernhard in Pension. Seitdem wird unsere Verwaltung von Ihnen, Dr. Fetzner, geleitet. Ich darf Ihnen offen sagen, und ich denke, ich spreche damit allen Stadträtinnen und –räten aus dem Herzen, dass Sie diese Doppelbelastung seither hervorragend meistern. Ihre unaufgeregte Art und Ihr Einbeziehen aller Beteiligen haben dem politischen Miteinander eine angenehme und konstruktive Richtung gegeben. Dafür gebührt Ihnen unser aller Dank.

Nichtsdestotrotz hätten wir es für unsere Stadt Weinheim gut gefunden, wenn Ihnen diese Doppelbelastung erspart geblieben wäre. Das hat nicht nur damit zu tun, dass Sie, Herr Dr. Fetzner, an Ihre Substanz gehen müssen. Es hat vor allem damit zu tun, dass unser künftiger Oberbürgermeister Manuel Just einen zusätzlichen Aufwand haben wird, Vertrauen aufzubauen, was aus unserer Sicht wichtig für eine erfolgreiche Amtsführung ist. Was meine ich damit? Es geht weniger darum, dass der Wahlsieger sich um die Absicherung seiner Altersbezüge sorgt. Die Chance, mit nur 41 Jahren jederzeit in Pension gehen zu können, ohne sich Sorgen um seine Zukunft machen zu müssen, ist natürlich attraktiv. Das ist menschlich. Das kann ich verstehen. Es hat mit etwas anderem zu tun: dem Vertrauen des Wahlsiegers in sich selbst und in andere.

Zum Vertrauen in sich selbst: Herr Just hätte in genau einem Fall ein großes Problem, nämlich dann, wenn die Klägerin gegen unser Wahlergebnis entgegen aller Erwartungen Recht bekäme, eine Neuwahl nötig würde und er diese Neuwahl tatsächlich auch noch verlöre. Mit Verlaub, aber nachdem er im letzten Jahr mit mehr als 50 Prozentpunkten Vorsprung vor dem Zweitplatzierten durchs Ziel ging, hätte er dem Ausgang des Rechtsstreits wahrlich mit viel mehr gelassenem Selbstvertrauen entgegensehen können. Ich denke, ein Oberbürgermeister braucht viel Selbstvertrauen für sein Amt.

Zum Vertrauen in andere: Ich habe volles Vertrauen in die Arbeit unserer Stadtverwaltung. Dabei ist unser Ordnungsamt für die korrekte Durchführung von Wahlen zuständig und unser Rechtsamt begleitet das aktuelle Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Ich habe volles Vertrauen, dass sie ihre Aufgaben ordentlich und gewissenhaft nach Recht und Gesetz erledigen. An diesem vollen Vertrauen scheint es unserem künftigen Oberbürgermeister in diesem Falle zu mangeln. Selbst nach dem Gutachten des Regierungspräsidiums und sogar nach dem klaren und deutlichen erstinstanzlichen Urteil des Verwaltungsgerichts sendet der Wahlsieger mit seinem weiteren Abwarten das Signal aus, dass das alles vielleicht doch noch schiefgehen könnte. Und das ist eben genau kein Signal dafür, dass er an dieser Stelle volles Vertrauen in die Arbeit unserer Weinheimer Stadtverwaltung hat, deren Leitung er im Laufe des Jahres übernehmen wird. Ich halte aber gegenseitiges Vertrauen von Vorgesetzten und Mitarbeitern für eine wichtige Voraussetzung einer guten Zusammenarbeit.

Ich hoffe sehr, dass es Herrn Just es nach seinem Amtsantritt gelingt, zügig das nötige Vertrauen aufzubauen, im Interesse eines weiterhin guten Funktionierens unserer Stadt.

In der Zwischenzeit bin ich Ihnen, lieber Herr Erster Bürgermeister Dr. Fetzner, überaus dankbar dafür, dass Sie sich in dieser schwierigen Zeit nicht weggeduckt haben, sondern mit all Ihrer Kraft für unser schönes Weinheim arbeiten.

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Der Haushaltsplan, den wir heute verabschieden, ist ein Haushalt der Investitionen in die Zukunft.

  • Wir investieren in bezahlbaren Wohnraum, z.B. mit den Anschlussunterbringungen, dem Baugebiet Allmendäcker und dem Sanierungsgebiet Westlich Hauptbahnhof, damit Weinheim eine Stadt für alle Menschen bleibt.
  • Wir investieren in die Bildung unserer Kinder, z.B. mit dem Schulzentrum West und der neuen Sport-Kita am Sepp-Herberger-Stadion, damit Weinheim ein hervorragender Bildungsstandort bleibt. An dieser Stelle halte ich es für wichtig zu erwähnen, dass aus unserer Sicht das heutige Gebäude der Bachschule erhalten werden muss, um dort in der Zukunft eine Grundschule für die Nordweststadt unterzubringen. Bei rund 1.000 neuen Bewohnern im Viertel wird es dringend notwendig, vor Ort eine Schule zu haben.
  • Wir investieren in die Verkehrsinfrastruktur, z.B. mit der Sanierung der Mannheimer Straße und dem neuen S-Bahn-Haltepunkt in Sulzbach, damit Weinheim für die Herausforderungen des Verkehrs gerüstet sein wird.
  • Wir investieren in die digitale Infrastruktur, z.B. mit dem Breitbandausbau, der Digitalisierung unserer Schulen und dem Ausbau des freien WLAN-Netzes, damit unsere Stadt zukunftsfähig bleibt.
  • Wir investieren in die kulturelle und soziale Vielfalt, z.B. durch die Rettung der Kulturgemeinde, den barrierefreien Zugang zum Waidsee und den Zuschuss zum Projekt „Das Wohnzimmer“, damit das Miteinander in unserer Stadt bunt und friedlich bleibt.

All das und noch viel mehr finden wir im Haushaltsplan für 2019, und das finden wir Linken gut. Es bedeutet, dass wir die wirtschaftlich guten Jahre dafür nutzen, unsere Stadt zukunftsfest zu machen, indem wir den Investitionsstau abbauen, die Herausforderungen der Zukunft annehmen und das gute Miteinander in der Stadt ausbauen. Da finden wir Linken viele unserer politischen Forderungen der letzten Jahre wieder, und darum unterstützen wir das.

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Ohne Moos nichts los. All die wichtigen Investitionen müssen irgendwie bezahlt werden. Deshalb bleibt es eine dauernde Aufgabe, die Einnahmen und Ausgaben der Stadt stetig zu prüfen. Wir werden in den kommenden Jahren in sehr großem Umfang liquide Mittel der Stadt investieren. Dieser werden in den kommenden vier Jahren um nicht weniger als 50 Millionen Euro schrumpfen. Das ist immens!

Wir können uns überaus glücklich schätzen, dass die robuste Konjunktur es ermöglicht hat, dass unser Bestand an Eigenmitteln auf nie dagewesene 57-einhalb Millionen Euro angewachsen ist. Ohne sie wäre es uns schlicht nicht möglich, in einem derart großen Umfang zu investieren. Dass wir bis Ende 2022 noch immer bei fast dem dreifachen der vorgeschriebenen Mindestliquidität liegen werden, macht uns froh und zuversichtlich.

Doch wir dürfen uns mit diesen Zahlen nicht in falscher Sicherheit wiegen. Im globalen Kapitalismus folgt auf jede Hausse eine Baisse. Die zunehmenden globalen Verwerfungen sind ja nicht zu übersehen:

  • Die USA zetteln seit der Amtseinführung von Präsident Trump schwer berechenbare Handelskriege an. Die Konjunktur in China ist zwar weiterhin beachtlich, hat aber an Dynamik verloren. Zu den Krisenherden im nahen und mittleren Osten haben sich Krisen in Südamerika gesellt.
  • Und innerhalb der Europäischen Union sehen wir uns mit einem Zunehmen des Denkens in kurzfristigem nationalistischem Eigennutz konfrontiert, was sich in einer steigenden Bedrohung unserer europäischen Werte durch den Vormarsch der politischen Rechten wie in Ungarn und Italien zeigt, aber auch in ökonomische Dummheiten wie den Brexit.

Das alles betrifft letztlich auch uns in Weinheim. Wenn die Konjunktur bröckelt, bröckeln in der Folge unsere Einnahmen.

In begrenztem Rahmen können wir dagegen etwas tun. Das sollten wir auch. Der entscheidende Hebel hierbei bleibt die Diversifizierung der Risiken. Was bedeutet das? Da Europa und Deutschland noch weit entfernt sind von einer solidarischen Gemeindewirtschaftssteuer, bleibt die Gewerbesteuer auch weiterhin die zentrale Stellschraube, mit der eine Gemeinde auf ihre Einnahmen Einfluss nehmen kann. Nachdem wir bei der Höhe des Steuersatzes unsere sinnvollen Möglichkeiten ausgereizt haben, müssen wir weiter darauf hinarbeiten, das Gewerbesteueraufkommen auf mehr Schultern zu verteilen und die in diesem Bereich noch immer hohe Abhängigkeit von einem einzelnen Unternehmen und seiner konjunkturellen Lage zu verringern.

In diesem Zusammenhang wurde und wird in unserer Stadt über die Notwendigkeit neuer Gewerbegebiete diskutiert. In der Bevölkerung - und in der Linken - gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen. In einer Demokratie gehört das zur Normalität. Neue Gewerbegebiete sollte es deshalb nur geben, wenn feststeht, dass damit die finanziellen Spielräume der Stadt größer werden und die Lebensqualität keinen Schaden nimmt.

Denn wir haben es hier mit einem essentiellen Zielkonflikt zu tun zwischen der Erhaltung der finanziellen Handlungsfähigkeit unseres Gemeinwesens und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen unserer Umwelt. Bis jetzt ist uns das, auch dank einer engagierten und wachen Bürgergesellschaft, ganz gut gelungen. Seitens der Linken werden wir auch in der Zukunft darauf achten, dass uns das weiterhin gelingt.

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Nicht alles, was wir Linken uns wünschen, hat im neuen Haushalt Einzug gefunden.

  • Wir finden es schade, dass die Erhöhung des städtischen Zuschusses um 50 Cent je Betreuungsstunde für die Weinheimer Tagesmütter nicht beschlossen wurde. Aber immerhin wird durch die Erhöhung seitens des Rhein-Neckar-Kreises ein Beitrag für die Sicherung dieser wichtigen Bildungsaufgabe geleistet.
  • Wir finden es schade, dass die Infotafel am Kriegerdenkmal vorerst nur eine englische Online-Übersetzung bekommt. Aber immerhin überlegt die Verwaltung nach einem Jahr des Wartens wenigstens, wo auf der städtischen Website diese Übersetzung gut platziert ist. Wir hoffen sehr, dass es nun nicht mehr lange dauert.
  • Wir finden es schade, dass die Stadt Weinheim dem sozialen Projekt „Das Wohnzimmer“ in der Weststadt nicht 10.000 Euro zur weitgehenden Deckung der Mietkosten zuschießen wird. Aber immerhin werden für das Projekt wenigstens 5.000 Euro vorgesehen.

Insgesamt jedoch blicken wir auf einen Haushalt, der die zentralen Herausforderungen der Zukunft aufnimmt, insbesondere in den Bereichen Wohnen, Bildung, Integration, Verkehr und Digitalisierung. Darum geben wir seitens der Linken dem vorliegenden Haushalt unsere Zustimmung.

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Ich möchte unseren Dank aussprechen an die Bürgerinnen und Bürgern Weinheims für ihr großes Engagement zum Wohle unserer Stadt. Auf so eine rege Bürgerschaft können wir alle stolz sein.

Ich danke den Journalistinnen und Journalisten, die sehr professionell unsere ehrenamtliche Arbeit begleiten.

Unseren Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt, die sich aufopferungsvoll darum kümmern, dass aus den Beschlüssen des Gemeinderates praktisches Handeln wird.

Ich möchte einen besonderen Dank der Kämmerei um Herrn Soballa aussprechen. Auch, wenn wir noch immer auf die Eröffnungsbilanz warten, trägt doch gerade ihre Haltung, konservativ zu rechnen, dazu bei, dass wir bei Bedarf immer mal noch einen Notgroschen im Stadtsäckel finden.

Ich danke den Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates dafür, dass wir bei allen Meinungsverschiedenheiten stets einen kollegialen Umgang pflegen. Dieser ist mit dem Interregnum von Dr. Fetzner sogar noch besser geworden. Und ich bin zuversichtlich, dass es nach der Kommunalwahl mit einer gestärkten LINKEN noch ein Bisschen besser wird.

Und, last but not least Danke an unseren Ersten Bürgermeister. Lieber Torsten, ich haben allerhöchsten Respekt vor dem Pensum, dass du aktuell für die Stadt leistest. Die Bürgerinnen und Bürger Weinheims können sich glücklich schätzen, dass Du da bist.