[Rede von Kreisrat Dr. Carsten Labudda (Die Linke) zum Haushalt des Rhein-Neckar-Kreises 2025 vom 17. Dezember 2024]
Sehr geehrter Herr Landrat,
Sehr geehrte Damen und Herren und alle dazwischen und außerhalb,
Vorab möchte ich bei Frau Hartmann, der Leiterin des Büros unseres Landrats, um Verzeihung bitten. Sie hatten darum gebeten, dass die Fraktionsvorsitzenden Ihnen die Haushaltsreden bis gestern zusenden, damit sie den Service für Presse und Medien verbessern können. Nun hätten Sie bis gestern zumindest von mir keine fertige Rede bekommen können, denn wie in jedem Jahr gehen wir seitens der Linken immer auch noch auf die eine oder andere Bemerkung ein, die wir im Laufe der Debatte zu hören bekommen. Das ist heute nicht anders als in allen anderen Jahren. Und das ist – wie ich finde – immer wieder notwendig, wenn wir hier von einer Debatte reden wollen und nicht von einem Vorlese-Wettbewerb.
Sehr geehrter Herr Landrat,
Zunächst möchte ich mich auch im Namen der Linksfraktion bei Ihnen bedanken. Sie sind in diesem wie in jedem Jahr den Wünschen und Vorstellungen vieler Beteiligter entgegengekommen, um im demokratischen Prozess zu einem möglichst breit getragenen Haushalt zu kommen. Besonders aber danken wir Ihnen dafür, dass Sie bei der Einbringung des Haushalts im Oktober ein besonderes Maß an Offenheit und Direktheit an den Tag gelegt haben, was die Lage des Rhein-Neckar-Kreises betrifft.
Ich kann mich gut an die Reaktionen erinnern quer durch alle Fraktionen, denen an einem funktionierenden Gemeinwesen gelegen ist. Der Schock über die Konfrontation mit der Realität war deutlich spürbar.
Sie haben, Herr Landrat, einen Entwurf vorgelegt, der geeignet war, alle bestehenden Aufgaben und Verpflichtungen umzusetzen. Im Ergebnis sind Sie mit einem Vorschlag zur Kreisumlage in die Verhandlungen gegangen, der sehr ehrlich war.
Was wir vonseiten der Linken wichtig finden, ist der Umstand, dass Sie in diesem Jahr auf das Mittel der so genannten „globalen Minderausgabe“ verzichtet haben. Im letzten Jahr hatten wir diese scharf kritisiert als optische Kosmetik, die der Wirklichkeit nicht standhalten kann. Das hat sie dann auch nicht. Weder in der Jugendhilfe noch in der Eingliederungshilfe gab es geringere Kosten. Ganz im Gegenteil. In der Folge einer mehrjährigen Pandemie mit ihren disruptiven Wirkungen benötigen jungen Menschen mehr Unterstützung. Und die immer noch – gelinde gesagt – schleppende Umsetzung der Behindertenrechtskonvention nicht nur bei uns, sondern überall in Deutschland, benötigt ebenfalls steigende Mittel. Diese haben Sie im Haushalt abgebildet, und das ist richtig.
Sehr geehrter Herr Landrat, ich habe Sie seit Jahren animiert, bei der dazugehörigen Ausweisung von Stellen gern offensiver und direkter zu sein. Letztes Jahr waren Sie das aus unserer Sicht nicht. Ein sichtbares Ergebnis war eine weiter steigende Belastung unserer Mitarbeitenden. Ich kann Ihnen das einem einfachen Beispiel illustrieren:
Ich habe in der großen und traditionsreichen Einrichtung der Jugend- und Eingliederungshilfe, in der ich arbeite, eine neue Kollegin bekommen. Warum hat sie sich bei uns beworben? Die erfahrene Pädagogin hatte sich ursprünglich mit einer Kindertagespflege selbstständig gemacht. Hut ab dafür! Allerdings musste sie die bittere Erfahrung machen, dass sie auf die ihr zustehenden Mittel nicht weniger als ein halbes Jahr warten musste. Ein halbes Jahr! Können Sie mir sagen, welches Start-Up nach der Gründung ein halbes Jahr auf seinen Rechnungen sitzen bleiben kann? Eben. Die Einrichtung meiner neuen Kollegin musste schließen. Wir können uns sicherlich einigen, dass das ein Verlust ist. Für die betroffenen Kinder, für die Eltern und natürlich auch für die betreffende Kommune.
Wie kann es zu einem solchen Missstand kommen? Nun, am Willen der Mitarbeitenden beim Kreis hat es mit Sicherheit nicht gelegen. Die Kolleginnen und Kollegen und alle dazwischen und außerhalb tun ihr Möglichstes. Aber wenn allein bei unserem Jugendamt in diesem Jahr schon über 85 Überlastungsanzeigen auflaufen, dann sollte uns allen klar sein, dass der Stellenplan mehr als knapp ausfällt.
Herr Landrat, Sie haben nur sehr dezent gegengesteuert aber wenigstens ein paar Stellen aufgesattelt. Wir haben als Linke mit dem Personalrat über die vorliegende Arbeitsüberlastung gesprochen. Dort hätte man sich selbstredend gern mehr Stellen gewünscht. Aber, und das will ich hier mit Respekt und Dankbarkeit erwähnen, man versteht die Situation und hat manche Zumutung mitgetragen, weil auch das Bemühen der Verwaltungsspitzen um Abhilfe gesehen wird. Danke, lieber Personalrat, für den konstruktiven Einsatz zum Wohle der Mitarbeitenden unseres Kreises.
Der zweite Punkt, Herr Landrat, der uns seitens der Linken sehr wichtig ist, besteht darin, dass Sie es geschafft haben, strukturell nicht mehr rückholbare Verschlechterungen zu verhindern. Damit möchte ich auf unsere öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zu sprechen kommen.
Wir stehen als kommunaler Träger vor dem Problem, dass die Gesundheitspolitik von Bund und Land uns seit vielen Jahren Stück für Stück garottiniert. Die Luft für unsere Kreiskrankenhäuser und Pflegeeinrichtungen wird immer dünner. Als ich noch neu im Kreistag war, waren die Bilanzen der GRN einigermaßen ausgeglichen. In diesem Jahr sind wir bei weit über 20 Millionen Euro Defizit, die wir aus Mitteln des Kreises ausgleichen dürfen.
Wir können uns an die Worte unserer Geschäftsführerinnen Frau Elbs und Frau Masuch erinnern, dass die Mitarbeitenden nach den enormen Belastungen im Rahmen der Pandemie-Bekämpfung ausgelaugt und müde sind. Sie brauchen Entlastung. Aber wo ist diese Entlastung? Vom Balkon klatschen ist schön, aber es zahlt weder Miete noch Heizung.
Wir sind Ihnen, Herr Landrat, dankbar, dass Sie sich mit großem Engagement für unsere Gesundheitseinrichtungen ins Zeug gelegt haben. Auch den persönlichen Gang nach Berlin haben Sie gemacht. Das war kein Vergnügen. Dafür war die Ignoranz der Entscheidungsträger gegenüber den Sorgen und Nöten kommunaler Krankenhäuser zu groß.
Immerhin haben wir nun einen Plan, wie wir es schaffen, unsere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen umzustrukturieren und in öffentlicher Trägerschaft zu erhalten. Dafür möchte ich Ihnen, unseren Geschäftsführerinnen und die Mitarbeitenden bei der GRN und ihren Gesellschaften danken.
Sehr geehrter Herr Landrat,
Seit der Einbringung des Haushaltsentwurfes im Oktober wurde intensiv darüber verhandelt. Im Laufe der Verhandlungen sind sie und unser Finanzdezernent Herr Bäuerlein dann insbesondere den großen Fraktionen weit entgegengekommen, um den Bedarfe des Kreises und der kreisangehörigen Kommunen möglichst gleichermaßen gerecht zu werden. Auch um den Preis einer steigenden Verschuldung.
Und genau damit will ich zur größten Fraktion des Kreistages kommen:
Sehr geehrte Bürgermeister,
Ihre große Bedeutung hier im Kreistag haben sie heute wieder unter Beweis gestellt, indem Sie immerhin vier der sieben Haushaltsreden gehalten haben. Wir haben seitens der Linken immer wieder Kritik daran geübt, dass Sie bei der Kreisumlage durchaus erpicht auf die niedrigstmöglichen Optionen waren, insbesondere in den finanziell guten Jahren. Herr Dr. Göck von der SPD (ausgerechnet!) hat sich hierbei mit seinem offenkundigen Kirchturmdenken im Laufe der Jahre einen zweifelhaften Ruhm erarbeitet. Und heute hat er das ja nun zum wiederholten Mal vorgeführt.
Mit dieser Haltung wurden schon in der Vergangenheit vor allem die notwendigen Ausgaben für soziale Belange unter Druck gesetzt. Das zeigte sich im letzten Jahr beim von uns heftig kritisierten und letztlich dann auch vergeblichen Versuch, mit allgemeinen Kürzungen im sozialen Bereich den Haushalt zu stabilisieren. Darum waren wir – wie ich bereits ausführte – dem Landrat dankbar, dass er bei der Einbringung des Haushaltes Tacheles gesprochen hat. Das hat alle und insbesondere Sie, liebe Bürgermeister, nachvollziehbarerweise schockiert.
Offenkundig ist aber auch, dass aktuell alle Haushalte - des Kreises wie seiner Kommunen - in großer Notlage sind aufgrund der seit vielen Jahren von Bund und Land betriebenen Politik. Mit immer neuen Aufgaben, die nicht refinanziert wurden und mit einer Politik gegen eine flächendeckende patientennahe Gesundheitsversorgung wurden die kommunalen Kassen scheibchenweise immer mehr belastet. Die Salamitaktik von Bund und Land kommt mit dem Ende der Wurst an ihre Grenze. Diese ist nun erreicht.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Herr Merz von der weltgrößten Finanz-Heuschrecke Blackrock voraussichtlich die historische Verpflichtung ereilen wird, die so genannte "Schuldenbremse", die nichts anderes als eine öffentliche Investitionsbremse ist, schleifen zu müssen. Und zwar entgegen seinen bisherigen ideologischen Scheuklappen, weil sonst das Land den Bach runter geht und selbst grundlegende Funktionen nicht mehr zu stemmen sein werden.
Wir stehen in Deutschland bei einer öffentlichen Verschuldungsquote von etwa 60 Prozent des BIP. Alle anderen OECD-Staaten sind dreistellig und nutzen das so geschöpfte Geld sinnvoll für die massive Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage, kurz: Sie investieren und wachsen. Alle. Nur Deutschland nicht. Und zwar genau aus dem Grund, dass die Bundespolitik bisher weder bei den Reichsten der Reichen abschöpfen noch die Investitionsbremse antasten will.
Damit wird unsere Entwicklung abgewürgt und als angebliche Lösung wird gegen Arme und Geflüchtete polemisiert. Es ist ein unwürdiges Schauspiel, denn in der Konsequenz heißt es: Nach unten treten und nach oben buckeln.
Sehr geehrte Bürgermeister,
Die meisten von Ihnen gehören einer Partei an oder neigen bei Wahlen der einen oder anderen Partei zu. Wir hätten uns seitens der Linken sehr gewünscht, wenn Sie dem Vorbild unseres Landrats folgend öffentlich und in jeweils Ihrer Partei Sturm gelaufen wären gegen die antisoziale Politik des Ausblutens der öffentlichen Finanzen zugunsten der wenigen Superreichen, die Milliarden über Milliarden Euro an Reichtum anhäufen, während die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger es genau wie die die Kommunen immer schwerer findet, über die Runden zu kommen. Die 500 reichsten Deutschen besitzen inzwischen rund 1,1 Billionen Euro. Ein Viertel des BIP. Für 500 Menschen von 84 Millionen. Zugleich ist die prozentuale Steuerbelastung der Milliardäre effektiv deutlich geringer als die von Normalverdienern. Das ist nichts anderes als ungerecht. Wenn zudem in der Summe die Einnahmenseite im Gegensatz zur Ausgabenseite nicht mit der Inflation Schritt hält, zeigt es, dass wir hier kein Ausgaben- sondern ein Einnahmen-Problem haben.
Vor diesem Hintergrund finden wir es seitens der Linken mehr als problematisch, wenn Herr Werner (CDU) meint, Transferleistungen antasten zu wollen - das sind auf der einen Seite das grundgesetzlich festgelegte Existenzminimum und auf der anderen Seite die notwendigen Mittel, um auch Menschen mit Behinderungen ein Leben in Würde zu ermöglichen - und wenn er zugleich Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, anscheinend nicht mehr vollumfänglich den notwendigen Schutz bieten will. Herr Werner, Menschenleben stellt man nicht unter Finanzierungsvorbehalt. Damit treten Sie verbal gegen die Schwachen anstatt denen, die zu viel haben, einen fairen Anteil am Gemeinwesen abzuverlangen.
Die Lage ihres Rathauses und ihres Kirchturms haben sehr viel zu tun mit den Entscheidungen, die die Großkopfeten von Union, SPD, Grünen und FDP in den letzten 30 Jahren in Berlin und Stuttgart getroffen haben. Wenn Sie zurecht die Politik von Bund und Land kritisieren, aber zugleich gar nicht thematisieren, dass das Leute aus Ihren Parteien sind, die diese Politik betreiben, dann empfinde ich das als einen Mangel an Aufrichtigkeit. Ich hoffe, dass da endlich mal ein Ruck durch ihre Reihen geht. Die Ankündigung einer möglichen Verfassungsbeschwerde durch Herrn Ehret (FW) und Frau Felden (FDP) sehen wir als einen notwendigen Anfang. Danke dafür.
Sehr geehrter Herr Landrat,
Sehr geehrte Damen und Herren und alle dazwischen und außerhalb,
Für uns Linke ist entscheidend, dass in diesem Jahr kein Rasenmäher gegen die sozialen Aufgaben in Anschlag gebracht und dass die Finanzierung unserer öffentlichen Gesundheitseinrichtungen gesichert wurde. Deshalb können wir den Haushalt mittragen, auch wenn wir eine etwas höhere Kreisumlage für richtig gehalten hätten.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.