[Rede von Stadtrat Dr. Carsten Labudda, Die Linke, vom 26. Februar 2025]
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Heute vor 150 Jahren wurde der große Arbeiterführer Hans Böckler geboren. Er war der erste Vorsitzende des DGB und die gewerkschaftsnahe Stiftung trägt heute seinen Namen.
Darum zunächst solidarische Grüße an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Stadt und aller anderen bei Bund und Kommunen Beschäftigte. Im Angesicht horrender Mieten und steigender Lebenshaltungskosten stehen sie aktuell in einer Tarifauseinandersetzung für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. Während Herr Dr. Wetzel (FDP) hier und heute öffentlich ihre Arbeit in Frage stellt (indem er den Mangel an Personal aufgrund unbesetzter Stellen negiert) und während Dr. Bäro (FW) meint, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch den Einsatz künstlicher Intelligenz motivieren zu wollen, sind wir Linken klar darin, dass gute Arbeitsbedingungen, Zeitsouveränität, Arbeitsentzerrung und anständige Entlohnung im Zentrum der Bemühungen stehen müssen. Auf unsere Unterstützung können Sie bauen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Die Schere zwischen Arm und Reich nimmt zu. Auch bei uns haben darum politische Einstellungen, die mehr Spaltung und Ausgrenzung befördern, Zulauf. Das muss uns alle besorgen. Das Ergebnis der Bundestagswahl – das will ich ehrlich bekennen – hat jedenfalls bei mir die Sorgen eher vergrößert. Jedes weitere Auseinanderdriften verschlechtert den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Ohne eine europäische, Bundes- und Landespolitik, die sich diesem seit vielen Jahren laufenden Trend entgegenstellt, werden die Probleme, die wir vor Ort und den Städten und Gemeinden haben, weiter zunehmen.
In diesem Zusammenhang entbehrt es nicht einer großen Ironie, dass ausgerechnet der ehemalige Aufsichtsratschef der Finanzheuschrecke Blackrock in Deutschland, Friedrich Merz, nun als Kanzler gegen alle früheren Beteuerungen derjenige sein wird, der die unsägliche so genannte „Schuldenbremse“, die nichts anderes als eine Investitionsbremse ist, wird schleifen müssen. Denn die Schulden, die nicht im Bundeshaushalt stehen, können wir uns alle vor Ort anschauen in der Form kaputter Straßen, maroder Brücken, eines unterfinanzierten Gesundheitssystems, einer abnehmenden Fähigkeit des Staates, seine Aufgaben schnell und bürgerfreundlich zu erledigen.
Während auf der einen Seite die Zahl der Milliardäre zugenommen und das private Finanzvermögen mit fast 10 Billionen Euro eine Rekordmarke erreicht hat, leiden wir alle hier an einer Unterfinanzierung der öffentlichen Hand. Im Übrigen: Wenn die mitte-rechte Seite des Saales von „Rekordsteuereinnahmen“ spricht, ignoriert sie, dass Steigerungen in absoluten Zahlen aber unterhalb der Inflation real ein Minus bedeuten. Wir haben kein Ausgaben-, wir haben ein Einnahmeproblem.
Das ist dann auch im Kleinen nicht anders. Wir hier in Weinheim können es in unserem vorliegenden Haushaltsplan ablesen. Wieder einmal machen wir ein kräftiges Minus im zweistelligen Millionenbereich. Unsere Rücklagen werden aufgebraucht. Und dennoch stehen für die nähere Zukunft Kassenkredite vor der Tür. Und das, während die Eigentümer großer Firmen und Aktienpakete in der Stadt sich über Gewinnbeteiligungen freuen können, die auf Rekordhoch liegen und zugleich die Zahl der vom Bürgergeld betroffenen wieder steigt.
Dazu dürfen wir hier übrigens von Herrn Haring (CDU) hören, die deutsche Wirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, gemessen an der Bevölkerungsgröße mit Abstand Exportweltmeister, sei nicht wettbewerbsfähig. Diese Falschbehauptung dient nur einem: dem ideologiegetrieben Sozialabbau. Dem stellen wir Linken stets entgegen. Nicht die Sozial- und Klimaproteste haben unserem Land geschadet. Die seit Jahrzehnten durch die Bundesregierungen betriebene Umverteilung von öffentlichen zu privaten Kassen und von unten nach oben haben uns in diese Lage gebracht. Die Richtung muss dringend umgekehrt werden.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Ein wirtschaftlicher Bereich, der in den letzten Jahren aus dem Ruder gelaufen ist, ist die Wohnungswirtschaft. Der Trend setzte mit der Abschaffung der Wohngemein-nützigkeit und der flächendeckenden Wohnungsprivatisierung in den 1990-er Jahren ein. Zunehmend bestimmen private Investment-Gesellschaften über Mieten und Wohnbedingungen. Der größte Konzern dieser Art – Vonovia – trieb es so weit, dass über ein Drittel der eingenommenen Mieten an die Aktionäre – unter anderen Herrn Märzens Blackrock – ausgeschüttet wird. Den Mieterinnen und Mietern in der Konrad-Adenauer-Straße kann das nicht gefallen, denn es bedeutet für Sie, dass Wartungen und Instandhaltungen auf Minimum gefahren werden, während die Mieten einen immer größeren Teil ihrer Einkommen auffressen.
Wir als Stadt haben zu wenige Hebel, dieser Entwicklung etwas entgegenzustellen. Mit den paar hundert städtischen Wohnungen haben wir viel zu wenig Gewicht, um auf dem Wohnungsmarkt wirksam etwas auszurichten. Aufgrund des Versagens der CDU-geführten wie auch der SPD-geführten Bundesregierungen findet viel zu wenig Neubau statt und ist der Bestand an Sozialwohnungen auf einem Rekordtief angelangt. Im Grunde müssten wir eigentlich ein eigenes städtisches Wohnbauprogramm aufsetzen. Aber dafür fehlen uns aus den vorhin genannten Gründen das Geld. Also versuchen wir es doch wieder mit privaten Investoren, z.B. auf dem Gelände der alten Kreispflege und auf den Allmendäckern. Gerade das letztere Beispiel mit all seinen Verzögerungen zeigt seit Jahren auf, dass Wohnbau in Kombination mit privatem Gewinnstreben mit dem Ziel der Schaffung bezahlbaren und inklusiven Wohnraums nur schwer in Einklang zu bringen sind. Die Linke erkennt aber an, dass seitens der Stadt viel versucht wird, um hier zu Lösungen zu kommen.
Und an der Stelle noch eine Replik auf Herrn Haring (CDU): Sie haben in Ihrer Rede zwischen Deutsche und Nichtdeutsche sowie zwischen Arbeitende und Erwerbslose einen Keil getrieben. Ich finde das verwerflich. Der Mangel an Wohnraum und Ressourcen in den Kommunen liegt nicht an Pässen unterschiedlicher Farbe, er liegt an einer Politik der letzten 30 Jahre, mit der die Mittel den Reichsten der Reichen zugeschoben werden und alle unten - da gehören die Kommunen dazu - leiden, während zugleich der öffentlichen Hand mit der Investitionsbremse die Hände gefesselt wurden. Herr Haring, anstatt die Menschen in unserer Stadt zu spalten und das rechte Spar-Mantra zu Lasten von Armen und Nicht-Deutschen zu verbreiten, würde ich mich freuen, wenn Sie ein Mehr an Integration und an Prävention fordern würden. Und eine gerechte Verteilung der Steuerlast auch auf die, die nicht wissen, wohin mit ihrem Geld.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
In diesem Zusammenhang leidet Weinheim – wie die gesamte kommunale Familie – unter einer Bundes- und Landespolitik, die seit Jahrzehnten das Konnexitätsprinzip mit Füßen tritt, uns scheibchenweise mit neuen Aufgaben betraut und zugleich eine auskömmliche Finanzierung erschwert. Das sicherlich bekannteste Beispiel ist das Recht eines jeden Kindes auf einen Betreuungsplatz, das seit 2013 gilt. In der Folge haben wir – wie alle Kommunen – unser Angebot an Kita- und Krippen-Plätzen deutlich ausgebaut. Vom Land bekommen wir jedoch nur 63 Prozent der Kosten durchgereicht. Die fehlenden 37 Prozent sollen sich Kommunen und Familien teilen. In der Folge haben wir ein Kindergrundrecht, dass nicht einfach gewährt wird, sondern das man sich kaufen muss. In meiner Welt ein perverser Gedanke.
Eine Folge dieser Aufteilung war und ist, dass sich in den letzten Jahren die private Kindertagespflege als kostengünstigere Maßnahme immer mehr etabliert hat. Auch in Weinheim. Die Zuschüsse, die Kreis und Stadt hier leisten, sind deutlich geringer als bei klassischen Kitas und Krippen.
Nun steht nicht nur Weinheim sondern auch der Rhein-Neckar-Kreis finanziell unter Druck. Die größte Fraktion im Kreistag, die Bürgermeister, haben durchgesetzt, dass die Kreisumlage, also was Städte und Dörfer an den Kreis zahlen, so gering wie möglich festgesetzt wurde. In der Folge wird der Kreis seine Verschuldung von 100 auf 180 Millionen Euro steigern. Doch nicht nur das: Der Kreis knausert nun bei allem, was auch nur ein Jota über gesetzliche Mindestverpflichtungen hinausgeht. Ein Ergebnis dessen war, dass die Kosten der Kindertagespflege für die Familien zum Jahresbeginn um satte 60 Prozent verteuert wurden. Das hat bereits jetzt zwei Ergebnisse mit sich gebracht:
- Viele Familien haben ihre Betreuungsverträge gekündigt. Also bleibt häufiger ein Elternteil zu Hause und man schaut, wie man sich finanziell durchwurstelt. In Zeiten des Fachkräftemangels entziehen wir so dem Arbeitsmarkt zusätzlich gut ausgebildete Menschen. Finde den Fehler.
- Einige Tagesmütter haben bereits ihr Geschäft aufgeben müssen, andere haben Sorge, dass es sie auch ereilt. Auf diese Weise verringern wir das Angebot von Betreuungsplätzen. Was meinen Sie, lieber Herr Oberbürgermeister, wer per Gesetz für neue Plätze sorgen muss? Eben. Wir, die Stadt. Und da es sich dann um reguläre Kita- und Krippenplätze handelt, wird es für uns als Stadt an der Stelle wieder teurer.
Daher bitte ich Sie, Herr Oberbürgermeister, und alle demokratischen Weinheimer Kreisrätinnen und Kreisräte, dass wir uns gemeinsam dafür stark machen, dass die Lage unserer Tagesmütter im ganzen Rhein-Neckar-Kreis möglichst bald wieder verbessert wird.
Apropos Verbesserungen. Es gibt ja zum Glück nicht nur Schatten, sondern auch Licht. So ist es nun zwei Jahre Jahr, da hat Die Linke hier im Gemeinderat beantragt, dass Pflichtpraktika bei der Stadt nicht länger ohne Vergütung geleistet werden sollen. Eine junge Studentin der sozialen Arbeit hatte nämlich ein solches gehabt: Ein halbes Jahr Vollzeit für Null Euro. Geht gar nicht. Im Laufe der Debatte vor zwei Jahren kam heraus, dass es in Weinheim nicht mal ein Personalkonzept für unser pädagogisches Personal gab. Daher einigte ich mich damals mit der Verwaltung, dass wir unseren Antrag zurückstellen und die Stadt ein solches Konzept gemeinsam mit den Betroffenen entwickelt. Das haben wir hier im Dezember gemeinsam beschlossen. Der Stellenanteil für Leitungsaufgaben wurde erhöht, der Springerpool mehr als verdoppelt, Supervision und betriebliches Eingliederungsmanagement eingeführt bzw. ausgebaut. Ich bin froh, dass wir die Lage unserer Erzieherinnen ein Bisschen verbessern konnten.
Im Nachklapp hatte ich im Übrigen noch einen Schriftaustausch mit der Verwaltung, ehe von dort Mitte Januar die Zusage kam, dass Praktika wie das von mir genannte tatsächlich künftig auch in Weinheim endlich sicher eine Vergütung erfahren. An dieser Stelle geht mein Dank an Frau Muglin für die wirklich gute und konstruktive Zusammenarbeit.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Wir sehen im Haushalt viele gute Dinge:
- die Verbesserungen für unsere Erzieherinnen,
- die Sicherung der psychologischen Familien- und Erziehungsberatungsstelle,
- die Investitionen unter anderem in die Kita Kuhwaid, das Mehrgenerationenhaus, die DBS-Sporthalle und das Victor-Dulger-Bad,
- den Erwerb des Martin-Luther-Hauses durch die Stadt
Sehr gut.
Doch die Aussichten sind schlecht. Wir sehen Verschlechterungen entgegen, die sich letztlich nur durch einen dauerhaft angelegten Doppelwumms der Bundespolitik für die kommunale Familie werden abwenden lassen.
Wir als Die Linke werden auch in den schlechten Zeiten für Kommunen weiterhin unser mögliches Tun, dass bei den politischen Entscheidungen die soziale Dimension nicht aus den Augen verloren wird und stimmen - im Gegensatz zu den beiden neoliberalen Verweigerern - dem Haushalt der Stadt Weinheim für das Jahr 2025 zu.
Zum Schluss haben wir Danke zu sagen.
Vielen Dank dieses Mal zuallererst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt. Sie haben die oft undankbare Aufgabe, all die Beschlüsse unseres Gremiums bei steigender Arbeitsbelastung umsetzen zu müssen. Wir drücken die Daumen, dass ihr anständige Tarifabschlüsse erreicht.
Dank geht natürlich auch an die Bürgerinnen und Bürger für ihr großes Engagement, ohne das ein gutes Zusammenleben in Weinheim nicht möglich wäre.
Und unser Dank geht raus an die Journalistinnen und Journalisten, die uns immer wieder genau auf die Finger schauen. Ihre wichtige Rolle für unsere Demokratie ist durch die so genannten Sozialen Medien unter Beschuss, deren milliardenschwere Eigentümer mit ihren auf Hass und Hetze zugeschnittenen Algorithmen es schwerer machen für eine sachliche und differenzierte Meinungsbildung.
Und Danke natürlich auch an die Kolleginnen und Kollegen hier im Gemeinderat für die konstruktiven und produktiven Auseinandersetzungen um den besten Weg für unsere Stadt
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Dr. Carsten Labudda
DIE LINKE im Weinheimer Stadtrat